Wiederkehrender Beitrag oder Sonderabgabe?
(eingetragen am: 06.07.2010 16:29)
Wiederkehrende Beiträge wurden für die Finanzierung der Abwasserbeseitigungseinrichtungen im Wesentlichen eingeführt "um auch grundsätzlich beitragspflichtige, unbebaute Grundstücke zu den laufenden Im Gegensatz dazu haben im System des Einmalbeitrags nur die tatsächlichen Nutzer der Einrichtung die laufenden Kosten über die Nutzungsgebühr zu tragen.

Bezug nehmend auf diese Argumentation sollte im Klagverfahren der Nachweis geführt werden, dass der wiederkehrende Beitrag im Entwässerungsrecht unter die Tatbestandsmerkmale einer Sonderabgabe subsumiert werden kann.

Der nachfolgende Beitrag befasst sich dementsprechend mit den Merkmalen wiederkehrender Entwässerungsbeiträge im Vergleich zu Sonderabgaben. Durch einen Berufungszulassungsantrag wurde versucht, vor dem OVG eine verfassungsrechtliche Überprüfung der wiederkehrenden Beiträge an Hand der Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu erreichen.
Berufungszulassungsantrag und OVG - Beschluss werden in anonymisierter Form vorgestellt.



Die Berufungsschrift gründete einzig auf der Annahme der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Der Rechtsstreit war von der Entscheidung folgender Frage abhängig:

Ist die als wiederkehrender Beitrag erhobene Abgabe als finanzverfassungsrechtliche Sonderabgabe im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu kategorisieren?

Es wurde folgendermaßen argumentiert:

"Bejaht man die tatbestandliche Identität von Sonderabgabe und wiederkehrendem Beitrag, so sind auf Grund des Vorrangs des Bundesrechts vor Landesrecht die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.12.1980, 2 BvF 3/77 für Sonderabgaben festgelegten Rechtmäßigkeitskriterien Prüfungsmaßstab.
Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass die Abgabenlast wegen einer größeren Sachnähe und der daraus resultierenden Abgabenverantwortlichkeit der Schmutzwasserverursacher im Vergleich zu den derzeitigen Schuldnern des wiederkehrenden Beitrags diesen nicht mehr auferlegt werden kann. In diesem Fall wäre der angegriffene Abgabenbescheid jedenfalls aufzuheben.

Diese Frage ist im Berufungsverfahren ohne Weiteres klärungsfähig, es gibt keinerlei Klärungshindernisse.

Auch Klärungsbedürftigkeit ist gegeben, da solche Rechtsfragen klärungsbedürftig sind, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind.
Jedenfalls ist zweifelhaft, ob der wiederkehrende Beitrag als Beitrag im Sinn des Abgabenrechts oder als Sonderabgabe zu werten ist. Die Zweifel ergeben sich insbesondere aus der Identität der jeweiligen Tatbestände:
Schon der Einmalbeitrag ist mit der Sonderabgabe tatbestandsmäßig weitgehend identisch. Zum einen ähnelt der Einmalbeitrag der Sonderabgabe, weil die Gruppe der Abgabenschuldner sich durch eine Finanzverantwortlichkeit für einen öffentlichen Aufwand bestimmen lässt, zum anderen ist die Sonderabgabe eine beitragsähnliche Abgabe (BVerfGE 55, 274, 316 betont für die Berufsbildungsabgabe den "Beitragsgedanken" und den "Entgeltcharakter").
Der Einmalbeitrag unterscheidet sich jedoch letztendlich von der Sonderabgabe dadurch, dass die Finanzverantwortlichkeit der Beitragsschuldner sich aus dem Angebot eines ansonsten ungerechtfertigten Vorteils oder aus der Kostenverantwortung ergibt, während die Finanzierungsverantwortlichkeit der Schuldner von Sonderabgaben aus der zu finanzierenden Aufgabe folgt (BVerfGE 55, 274, 306).

Im Ergebnis erfahren die Schuldner einer Sonderabgabe durch die Inangriffnahme einer Aufgabe durch den Staat zwar auch eine besondere Begünstigung. Diese Begünstigung ist indessen - obwohl immer eine individuelle Zurechnung von Vorteilen, die sich aus der Abgabenverwendung ergeben, möglich sein muss (vgl. BVerfGE 82, 159, 180) - nicht identisch mit dem zurechenbaren Individualnutzen, der die Erhebung von Vorzugslasten legitimiert.
Daraus folgt, dass zwar im Gegensatz zum Einmalbeitrag bei der Sonderabgabe kein individueller aktueller oder potenzieller Vorteil des Abgabenpflichtigen korrespondiert, sondern im Wesentlichen nur die Gruppennützigkeit. Die Gruppennützigkeit ist aber gewissermaßen ein abstrakter Vorteil für jedes einzelne Mitglied der relevanten homogenen Gruppe.
Gleiches kann für den wiederkehrenden Beitrag gesagt werden.
Auch mit diesem wird keine Gegenleistung für einen individuellen Vorteil eingefordert, sondern vielmehr gruppennützige abstrakte Vorteile abgegolten.
Dies ergibt sich insbesondere aus der Einstellung der variablen Einrichtungskosten in die Kalkulation des wiederkehrenden Beitrages. Diese einzig durch den individuellen Schmutzwasseranfall bedingten Kosten werdenn jedenfalls losgelöst von diesem individuellen Nutzen als wiederkehrender Beitrag von der Gruppe der beitragspflichtigen Grundeigentümer erhoben.
Entsprechendes gilt für die Einstellung der Absetzung für Abnutzung in die Beitragskalkulation.
Die Absetzung für Abnutzung beruht letztlich einzig auf dem durch den laufenden Betrieb der Anlage bedingten Werteverzehr, "Vorhaltekosten" für nicht bebaute aber anschließbare Grundstücke können wegen der Vollauslastung der Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten nicht entstehen (die Kapazitätsplanung der Abwasserbeseitigungseinrichtung erfolgte nach den tatsächlich gegebenen Einwohnergleichwerten; sollten tatsächlich bei der Beklagten nennenswerte Kapazitäten "vorgehalten" werden, so handelt es sich dabei entweder um Überkapazitäten, deren Kosten nicht in die Kalkulation eingestellt werden dürfen, oder die Beklagte hält Kapazitäten vor, um künftige Bebauungsplangebiete anschließen zu können. Diese Kosten wären ebenfalls aus der Kalkulation auszusondern, da sie als Vorhalterkosten für künftige Einrichtungsnutzer den aktuell Beitragspflichtigen keinen Vorteil vermitteln und damit nicht beitragsfähig sind). Dementsprechend werden auch die individuell verursachten Kosten der Abnutzung der Einrichtung über den wiederkehrenden Beitrag pauschalisierend auf die Gruppe der Grundeigentümer und somit gruppennützig verteilt.

Die höchstrichterliche Klärung dieser Frage ist bislang nicht erfolgt.

Die Frage hat eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung:

Unabhängig von den Gegebenheiten des vorliegenden Einzelfalls kommt es in einer Vielzahl von Fällen zu Abgabenbescheiden, welche auf dem Institut des wiederkehrenden Beitrags beruhen."

Soweit der Berufungszulassungsantrag.


Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz lehnte mit Beschluss vom 15.07.2009, 6 A 11312/08.OVG den Antrag ab und begründete dies wie folgt:

Der Antrag hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vorliegt.

Die grundsätzliche Bedeutung einer Sache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann sich nur aus einer tatsächlichen oder rechtlichen Frage ergeben, die entscheidungserheblich ist und über den Einzelfall hinaus im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer Klärung bedarf (BVerwG, 9 C 46/84; BVerwG, 7 B 86/93). Diese Voraussetzungen erfüllt die vom Kläger aufgeworfene Frage nicht, ob "die als wiederkehrender Beitrag erhobene Abgabe als finanzverfassungsrechtliche Sonderabgabe im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu kategorisieren" ist.

Die Frage ist ohne Weiteres zu verneinen, denn es ist bereits geklärt, dass der wiederkehrende Beitrag eine sogenannte Vorzugslast (vgl. hierzu BVerfGE, 2 BvF 3/77) darstellt, die dem Ausgleich eines staatlichen Aufwandes durch Abschöpfung staatlich gewährter Vorteile dient (vgl. BVerfG, 2 BvL 12/88). Demgegenüber ist unter einer Sonderabgabe eine Geldleistungspflicht zu verstehen, die einem begrenzten Personenkreis im Hinblick auf vorgegebene besondere wirtschaftliche oder soziale Zusammenhänge gesetzlich auferlegt wird und eine spezifischer Beziehung (Sachnähe) zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraussetzt (BVerfG, 2 BvF 3/77). Diese Gruppennützigkeit, die eine Sonderabgabe rechtfertigen kann, reicht nicht aus, um einen wiederkehrenden Beitrag zu erheben. Vielmehr ist für eine Beitragserhebung die Verknüpfung zwischen Abgabenlast und Sondervorteil unerlässlich (vgl. BVerfG, 1 BvL 1/58; BVerfG, 2 BvR 591/95).

Diese Verknüpfung stellt § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG her, wonach die kommunalen Gebietskörperschaften von Grundstückseigentümern, dinglich Nutzungsberechtigten oder Gewerbetreibenden, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen oder Anlagen ein Vorteil entsteht, Beiträge erheben können. Von einem solchen die Beitragserhebung rechtfertigenden Vorteil kann dementsprechend keine Rede sein, wenn eine Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung oder Anlage aus rechtlichen oder tatsäcghlichen Gründen nicht in Betracht kommt. Der Grundstückseigentümer, der nicvht gehindert ist, das auf seinem Grundstück anfallende Schmutz- oder Niederschlagswasser in den Straßenkanal einzuleiten, hat grundsätzlich die vorteilsbegründende Möglichkeit eines Anscghlusses an die Abwasserbeseitigungseinrichtung (vgl. OVG RP, 6 A 11142/06.OVG). Ohne Auswirkungen auf diesen beitragsrechtlich erforderlichen Vorteil ist die vom Kläger in diesem Zusammenhang problematisierte Kalkulation. Insbesondere ist für die Vorteilslage der Grundstückseigentümer nicht von Bedeutung, ob bei der Erhebung eines wierderkehrenden Beitrags der Beklagten für die Abwasserbeseitigung sogenannte Abschreibungen und variable, nur durch den individuellen Schmutzwasseranfall bedingte Einrichtungskosten in die Kalkulation eingegflossen sind.

Der Antrag war nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.
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